Cover des gedruckten Buches Rückkehr der seit 1939 evakuierten Karlsruher Frauen („Westwallzigeuner“), Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 5 Bd.7, S. 783
   

3. Auswertung und Dokumentation

3.2

Weibliche Zeitzeugen, die das Kriegsende in Südwestdeutschland –
Schwerpunkt Karlsruhe und Umgebung – erlebten

3.2.3

Vollständiger Bericht einer Zeitzeugin aus Rheinzabern/Pfalz,
die in Karlsruhe zur Schule ging und bei Kriegsende 16 Jahre alt war

 

Fragen 3 und 4

Die Zeitzeugin erlebte das Kriegsende in ihrem Heimatort Rheinzabern.

Frage 5

„Am Tag des Einmarsches der Alliierten versuchten viele deutsche Soldaten, noch den Rhein in unserer Nähe zu überqueren. Die meisten hatten schon keine Waffen mehr und wollten nur noch das nackte Leben retten. In der Hauptstraße unseres Ortes wurden Soldaten durch anrückende Panzer beschossen und getötet. Eine Brücke über den kleinen Bach in der Hauptstraße wurde in letzter Minute gesprengt, um den Weitermarsch zu stören. Zwei Tage vor dem Einmarsch lag unser Dorf unter Beschuß. Es kamen mehrere Menschen ums Leben.“

Frage 6

„Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, wie es nach einer Besetzung weitergehen soll. Man hatte uns viele Ängste eingejagt. Nachdem wir jahrelang im wahrsten Sinne des Wortes ,im Dunkeln‘ gelebt hatten, stellte ich mir vor, wie schön es wohl sein müßte, am Abend nicht mehr verdunkeln zu müssen. Als zum erstenmal die Lichter aus den Häusern der angrenzenden Straßen zu sehen waren, erfaßte mich ein Gefühl unendlichen Glücks, wie ich es nie vorher erlebt hatte. Es war, als ob etwas ganz Schweres und Dunkles zu Ende gegangen wäre.“

Frage 7

„Beim Einmarsch der Alliierten waren diese für mich zunächst der Feind, und ich hoffte immer noch, daß er wieder zurückgeschlagen wird. Wir wurden von Franzosen besetzt, d.h. es waren überwiegend marokkanische und algerische Soldaten. In alle Häuser unserer Straße wurden Soldaten einquartiert. Wir mußten die Schlafzimmer zur Verfügung stellen und selbst im Keller schlafen, wo wir auf Strohsäcken die Nächte verbrachten. Da ich selbst englisch und französisch sprach, war schnell ein Kontakt zu einem unserer Einquartierten hergestellt, der sich für uns als Beschützer erwies, denn es geschah in jenen Tagen sehr häufig, daß junge Mädchen und Frauen vergewaltigt wurden, vornehmlich von marokkanischen Soldaten.“

Frage 8

„Da wir von Diebstählen und Zerstörungen von Büchern und Haushaltsgegenständen hörten, vergruben wir, in Kisten verpackt, für uns wertvolle Sachen im Garten. Was mit Hitler zusammenhing, wurde vernichtet. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, daß wir ein Hitlerbild in der Wohnung hatten, was ich auch nicht von meinen Freundinnen in Erinnerung habe.“

Frage 9

„Eine wichtige Veränderung war für mich zunächst das Ende meines Schulbesuchs in Karlsruhe, das nun für viele Jahre unerreichbar auf der anderen Seite des Rheins lag. Meine Weiterbildung war damit zunächst unterbrochen. Die größten Schwierigkeiten kamen auf uns durch den Mangel an Essen und Kleidung zu. Über einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren wurde die Versorgung immer schlechter. Das war besonders für uns Jugendliche eine große Belastung, denn wir waren in voller Entwicklung und die Eltern wußten bald nicht mehr, wie sie uns satt bekommen oder kleiden sollten. Die Not machte uns aber erfinderisch, und wir überlebten.“

Frage 10

„Da ich während des Krieges häufig Bombenangriffe in Karlsruhe erlebte, blieb in mir über lange Jahre eine panische Angst vor Flugzeugen bestehen. So fing ich schon beim geringsten Geräusch eines Flugzeuges an zu zittern und noch viele Jahre nachher wachte ich in der Nacht schreiend auf, weil ich mich wieder in einem Bombenangriff glaubte. Allmählich hörte dies nach etwa 15 Jahren auf, doch kommt es auch jetzt noch gelegentlich vor, daß ich diese Angstträume habe.“

 
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Kriegsende 1945 | Zeitzeugen der Karlsruher Region erzählen | Letzte Änderung: 30. März 1997
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