Cover des gedruckten Buches Das zerstörte Badische Staatstheater, Winter 1944/45, Stadtarchiv Karlsruhe 8/Alben 5 Bd.7, S. 696
   

3. Auswertung und Dokumentation

3.8

Karlsruher Stadtgeschichte im Überblick (1930–1945)

     

 

1930

14. September: Bei den Reichstagswahlen wird die NSDAP stärkste Partei in Karlsruhe.

16. November: Nach den Wahlen zum Bürgerausschuß stellt die NSDAP mit 28 von 84 Abgeordneten die stärkste Fraktion. Damit ist sie in dem vom Bürgerausschuß am 8. Dezember gewählten Stadtrat mit 8 von 24 Stadträten ebenfalls am stärksten vertreten. Der „Führer“, die Zeitung der badischen NSDAP, triumphiert.

1932

10. April: Bei den Reichspräsidentenwahlen liegt im Ergebnis der Amtsinhaber Paul von Hindenburg deutlich vor Adolf Hitler.

31. Juli/6. November: Bei den Reichstagswahlen im Juli und November erhalten die extremen Parteien mehr als die Hälfte der Stimmen. Im Juli erhält die NSDAP 40,3 und die KPD 10,3 Prozent. Im November verschiebt sich das Verhältnis leicht zugunsten der KPD: NSDAP 37,7 Prozent, KPD 13,0 Prozent.

1933

30. Januar: Die NSDAP feiert Hitlers Ernennung zum Reichskanzler mit einem Fackelzug durch die Stadt.

3. Februar: Verbot aller KPD-Veranstaltungen unter freiem Himmel durch den Polizeipräsidenten.

5. Februar: Im Anschluß an eine Demonstration von SPD und „Eiserner Front“ gegen die rechtsgerichteten Kräfte der „Harzburger Front“ und der NSDAP kommt es zu Schlägereien auf dem Marktplatz, der Kaiser- und Kreuzstraße.

17. Februar: Die Karlsruher SPD weist in einem offenen Brief das Einheitsfrontangebot der KPD, die die Sozialdemokraten als „Sozialfaschisten“ angefeindet hatte, zurück.

27. Februar: Dreitägiges Verbot des „Volksfreund“ durch den Innenminister.

4. März: 30000–40000 Menschen auf dem Schloßplatz sind Kulisse des Schlußappells einer Großdemonstration dieses Tages, die die hinter der Hitler-Regierung stehenden Parteien und Verbände organisieren.

5. März: Bei den Reichstagswahlen verfehlt die NSDAP trotz starker Behinderung des Wahlkampfs der gegnerischen Parteien ihr erklärtes Ziel der absoluten Mehrheit in Baden wie in der Landeshauptstadt.

10. März: Beurlaubung und Inschutzhaftnahme hoher Polizeioffiziere. Neuer Polizeipräsident Karlsruhes wird der SA-Ortsgruppenführer Hans Elard Ludin.

Sally Grünebaum, Redakteur des „Volksfreund“, und Ludwig Marum, Reichstagsabgeordneter der SPD, werden in Schutzhaft genommen, das Gebäude des „Volksfreund“ in der Waldstraße wird besetzt.

11. März: Die seit 1927 amtierende Leiterin der Kunsthalle, Lilly Fischel, wird wegen ihrer jüdischen Abstammung zunächst beurlaubt und dann entlassen.

Die NSDAP übernimmt mit einer Regierungsneubildung durch Reichskommissar Robert Wagner die Macht in Baden.

17. März: Etwa 100 Personen werden in Karlsruhe verhaftet und in der Riefstahlstraße in U-Haft eingeliefert. Am Tage davor hat der geisteskranke SPD-Landtagsabgeordnete Daniel Nußbaum in Freiburg bei seiner Verhaftung zwei Polizisten erschossen.

20. März: Dem Oberbürgermeister und den drei Bürgermeistern Karlsruhes werden nationalsozialistische Kommissare als Aufsicht zugeordnet.

21. März: Die Reichstagseröffnung in der Potsdamer Garnisonskirche wird auf dem Marktplatz mit Lautsprechern übertragen. Am Abend nehmen nach Angaben der Tagespresse 100000 Menschen an einer Kundgebung teil.

24. März: Der Stadtrat beschließt auf Antrag der Nationalsozialisten u. a. einen Ausschluß jüdischer Unternehmer von städtischen Aufträgen. Am 30. März werden weitere antijüdische Maßnahmen beschlossen.

30. März: Die „Badische Presse“ berichtet von zahlreichen Ausschreitungen gegen jüdische Geschäfte in den vorangegangenen Tagen.

Städtische Beamte dürfen nach einem Beschluß des Stadtrates nicht mehr Mitglied der SPD sein.

1. April: Die Nationalsozialisten organisieren auch in Karlsruhe einen Boykott jüdischer Geschäfte. Die Geschäfte sind mit einem gelben Fleck auf schwarzem Grund gekennzeichnet. Boykottbrecher sollen von Parteigenossen photographiert werden. Photoaufnahmen der Aktion sind jedoch nicht gestattet.

Die Beurlaubungen, Umsetzungen und Verhaftungen von Mitarbeitern staatlicher und städtischer Behörden gehen weiter. Mit Ministerialrat Frech und Prof. Graf trifft es z. B. zwei Mitglieder des Zentrums. Anfang April wird der Landtagsabgeordnete des Zentrums Anton Hilbert wegen Führerbeschimpfung verhaftet.

5. April: Sämtliche Juden im öffentlichen Dienst werden beurlaubt. Nach Erlaß des „Reichsgesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April werden sie mit Ausnahme der Kriegsteilnehmer 1914–1918 entlassen. Betroffen sind auch Kommunisten und Sozialdemokraten.

20. April: Hitlers Geburtstag wird mit großem Aufwand gefeiert. Auf dem Schloßplatz wird eine „Hitler-Linde“ gepflanzt.

1. Mai: Der 1. Mai wird erstmals im Sinne der Nationalsozialisten nicht als klassenkämpferische Kundgebung, sondern als „Fest der nationalen Entschlossenheit und Feiertag der deutschen Arbeit“ begangen.

2. Mai: Auch in Karlsruhe werden die Häuser der nun verbotenen Gewerkschaften besetzt und ihr Vermögen beschlagnahmt.

6. Mai: Der Verlag des „Führer“ gibt die Übernahme der sozialdemokratischen Druckerei und des Verlagsgebäudes in der Waldstraße bekannt.

6./7.Mai: Treffen der Hitlerjugend im Hochschulstadion (30000 Teilnehmer) mit einer Ansprache des Reichsjugendführers Baldur von Schirach. Zahlreiche andere Massenveranstaltungen folgen.

8. Mai: Der Oberbürgermeister Dr. Julius Finter und die drei Bürgermeister Karlsruhes werden abgesetzt und pensioniert.

9. Mai: Der gemäß dem Reichstagswahlergebnis vom 5. März umgebildete Gemeinderat ernennt Adolf Hitler, Robert Wagner und Walter Köhler zu Ehrenbürgern der Stadt. Zahlreiche Straßen und Plätze erhalten neue Namen: Marktplatz: Adolf-Hitler-Platz, Gottesauer Platz: Hermann-Göring-Platz, Waldring: Horst-Wessel-Ring.

11. Mai: Erste große Luftschutzübung mit Verdunkelungsmaßnahmen in Karlsruhe.

16. Mai: Um die Mittagszeit werden sieben Karlsruher Sozialdemokraten – Adam Remmele, Ludwig Marum, Hermann Stenz, Sally Grünebaum, Erwin Sammet, Gustav Heller, August Furrer – nach einer Schaufahrt auf offenen Wagen durch die Stadt in das Konzentrationslager Kislau überführt. Tausende von Karlsruhern beteiligen sich an dem Spektakel. Wenige aus der Menge, die mit dem Ruf „Rotfront“ protestieren, werden sofort verhaftet.

18. Mai: Wahl des neuen Oberbürgermeisters im Bürgerausschuß. Die SPD nimmt aus Protest gegen ihren Ausschluß von der Mitarbeit in den Kommissionen an der Sitzung nicht teil. Neuer Oberbürgermeister ist der Nationalsozialist Adolf Friedrich Jäger, der seit 8. Mai als kommissarischer Oberbürgermeister amtiert.

3. Juni: Der frühere badische Staatspräsident und Reichsfinanzminister (1928/29) der letzten demokratischen Regierung, Heinrich Köhler vom Zentrum, wird in Schutzhaft genommen.

9. Juni: Wie im öffentlichen Dienst wird auch in der Industrie „gesäubert“. Die Firma Haid&Neu erhält vom Wirtschaftsministerium nach umfangreichen Änderungen im Aufsichtsrat und Vorstand das Recht, sich als „deutsche Firma“ zu bezeichnen.

17. Juni: Auf dem Schloßplatz verbrennt die Hitler-Jugend im Rahmen einer Sonnwendfeier „Schmutz- und Schundliteratur“, darunter Bücher von Erich Maria Remarque und Erich Kästner. Die Bücher stammen aus den zuvor systematisch „gesäuberten“ Leihbüchereien, Buchhandlungen und anderen Institutionen.

23. Juni: Mit dem Verbot der SPD scheiden deren Abgeordnete aus dem Bürgerausschuß aus.

24. Juni: In Karlsruhe bleiben die Vertreter der aufgelösten Zentrumspartei als Hospitanten der NSDAP bis zur Aufhebung des Bürgerausschusses im Amt.

11. November: Bei der „Reichstagswahl und Volksabstimmung für Frieden, Freiheit und Ehre“ stimmen rund 90 Prozent der Karlsruher mit Ja und für Adolf Hitler. Im Wahlkampf spricht am

2. November: Joseph Goebbels in Karlsruhe und am 10. November wird eine Hitler-Rede öffentlich vor Festhalle und Rathaus über Rundfunk übertragen.

  1934

23. Januar: Letzte Sitzung des Bürgerausschusses vor dem Gesetz vom 6. März 1934 über dessen Aufhebung.

28./29. März: Im Konzentrationslager Kislau wird in der Nacht der Karlsruher SPD-Reichstagsabgeordnete Ludwig Marum von Nationalsozialisten ermordet (siehe Literaturverzeichnis).

11. Juni: Friedrich Weick, SPD-Stadtverordneter in Karlsruhe 1933, wird vom Sondergericht Mannheim zu zwei Jahren und acht Monaten Zuchthaus verurteilt, weil er den Vertrieb von aus dem Elsaß eingeschmuggelten Zeitungen organisiert hat. Im Strafbataillon 999 in Kreta bei Kriegsende unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen.

19. August: Die Volksabstimmung über die Vereinigung der Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers in der Person Adolf Hitlers wird auch in Karlsruhe „zu einem überwältigenden Bekenntnis zum Führer“.

Oktober: Verhaftung einer Gruppe von Karlsruher SPD-Widerstandskämpfern. Einweihung des „Bannheims“ der Karlsruher Hitler-Jugend in der Kaiserstraße 57. Die Hitlerjugend existiert in Karlsruhe seit 1929.

17. Oktober: Der Karlsruher Hausfrauenbund wird in die NS-Frauenschaft eingegliedert.

20. Dezember: Gustav Kappler, Stadtverordneter der KPD von 1929–1933, wird vom Oberlandesgericht Kalsruhe wegen „illegaler“ Widerstandstätigkeit für die KPD zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

  1935

29. Oktober: Nach Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht rücken die ersten Rekruten in Karlsruher Kasernen ein.

  1936

7. März: Nach der Aufhebung der entmilitarisierten Zone durch Hitler rücken noch am selben Tag Truppen in Karlsruhe ein.

29. März: 98,7Prozent der Wähler stimmen in Karlsruhe bei den Wahlen für Adolf Hitler.

11. Juni: Adolf Mühlhäuser, der „Ortsdiener“ der Zeugen Jehovas, wird wegen Fortführung der von der Regierung verbotenen Sekte verhaftet. Er kommt im März 1940 im KZ Mauthausen ums Leben. Zwei weitere Karlsruher Zeugen Jehovas bezahlen das Festhalten an ihrem Glauben ebenfalls mit dem Tod im Konzentrationslager.

  1937

5. Februar: Gesamtverdunkelungsübung für Karlsruhe und Durlach.

30. April: Das „Karlsruher Tagblatt“ muß sein Erscheinen einstellen.

9. Mai: Ende der antikommunistischen Ausstellung „Der Bolschewismus“, die 80000 Besucher sahen.

  1938

17. Januar: Freigabe der neuen Brücke über den Rhein bei Maxau für den Straßenverkehr. Ab 3. April fährt auch die Eisenbahn über die neue Brücke. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, am 20. März 1945, wird sie von deutschen Pionieren gesprengt.

28. März: Der Befehl Adolf Hitlers zum Bau des Westwalls bedeutet den Bau von etwa 50 Bunkern auf Karlsruher Gemarkung.

1. August: Dr. Oskar Hüssy wird Nachfolger des aus Altersgründen ausscheidenden Oberbürgermeisters Adolf Friedrich Jäger.

5. August: Die neue Rheinkaserne in Knielingen wird von Pionieren bezogen.

6. August: In die neue Mackensen-Kaserne nördlich des Hauptfriedhofs zieht eine Panzerabwehr-Abteilung ein.

4. September: Die Firma Friedrich Hoelscher KG übernimmt das Warenhaus der jüdischen Geschwister Knopf. Dies ist nur eines von vielen Beispielen der Zwangs-„Arisierung“ jüdischer Firmen, die nach dem 10. November 1938 verstärkt fortgeführt wird. Am 24. August 1953 erwirbt die Karstadt AG das Kaufhaus.

28. Oktober: Etwa 40 Juden polnischer Staatsangehörigkeit werden ausgewiesen und müssen Karlsruhe verlassen.

9./10. November: In der von den Nationalsozialisten sogenannten „Reichskristallnacht“ werden von Nationalsozialisten die beiden Karlsruher Synagogen in Brand gesteckt, zahlreiche jüdische Geschäfte zerstört und auch Wohnungen verwüstet.

10. November: Durch eine vielhundertköpfige, johlende Menschenmenge werden viele Juden über den Marktplatz in das Polizeipräsidium getrieben und in zahlreichen Fällen dabei mißhandelt. In der folgenden Nacht werden etwa 400–500 Juden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt.

1. Dezember: In einer Ratssitzung wird mitgeteilt, daß etwa 1000 Kleinwohnungen fehlen. Der Wohnungsbau hat – entgegen der nationalsozialistischen Propaganda – die Durchschnittszahlen aus der Zeit der Weimarer Republik nicht erreicht.

  1939

Beginn des Baus von Luftschutzbunkern in den Außenbezirken. In der Innenstadt gibt es lediglich Hausschutzräume.

15. Januar: Die noch weitgehend intakte Synagoge in der Kronenstraße wird auf Kosten der jüdischen Gemeinde auf Anordnung der Stadtverwaltung abgebrochen. Ein nahes Benzinlager hatte in der „Reichskristallnacht“ ihre Zerstörung verhindert.

17. Mai: Anläßlich einer Westwallbesichtigung kommt Adolf Hitler nach Karlsruhe, wo er im Hotel Germania am Ettlinger Tor (heute steht hier die Friedrich-List-Schule) mit dem Oberbefehlshaber des Heeres, Walter von Brauchitsch, zusammentrifft. Er übernachtet in seinem Sonderzug bei Eggenstein.

18. Juli: Probealarm mit den Großalarmsirenen im gesamten Stadtgebiet.

27. August: Das Ernährungs- und Wirtschaftsamt am Rondellplatz ordnet die Verteilung der schon längere Zeit vorbereiteten Karten zum Bezug von Lebensmitteln an.

1. September: Seit Ausbruch des Krieges beginnt die Evakuierung von etwa 90000 der 190000 Karlsruher Einwohner (ältere Frauen, Kinder, Kranke, Gebrechliche) aus der Stadt, die wegen der Grenznähe direkt durch das Kriegsgeschehen bedroht scheint. Bis Weihnachten 1939 können die Evakuierten zurückkehren (siehe Abbildung 9).

15. Dezember: Einführung der Reichskleiderkarte wie im ganzen Reich.

 

Abbildung 9

Die Rückkehr der „Westwall-Zigeuner“ 1939. Im September 1939 wurden bei Kriegsbeginn alle Frauen, Kinder und Kranke aus der grenznahen Stadt evakuiert – überwiegend in das württembergische Hinterland, wo ihnen der schwäbische Volksmund diese abschätzige Bezeichnung anhängte –, aber bereits im Oktober und November wieder zurückgeholt, da der befürchtete „Ernstfall“ nicht eingetreten war. Im Gegensatz hierzu wurde die Zivilbevölkerung erst nach dem verheerenden Luftangriff vom 4. Dezember 1944 erneut, aber völlig verspätet, evakuiert, nachdem der Bombenkrieg Hunderte von Toten gefordert hatte.

  1940

8. Januar: Schulen und Technische Hochschule nehmen ihren bei Kriegsbeginn unterbrochenen Betrieb wieder auf.

11. Januar: Im ersten Urteil des Karlsruher Sondergerichts wegen Abhörens ausländischer Sender erhält Otto Beck eine zweijährige Zuchthausstrafe.

5. März: Verteilung von Vitamintabletten für Schulkinder, da Frischgemüse knapp ist.

7. März: Beginn der Ausgabe von Volksgasmasken für die gesamte Karlsruher Bevölkerung.

16. Mai: Etwa 200 Sinti und Roma, Bürgerinnen und Bürger der Stadt, werden in einer reichsweiten Aktion zunächst auf den Hohenasperg und dann in die Ghettos, Arbeits- und Konzentrationslager in Polen deportiert. Dort kommen die meisten von ihnen ums Leben oder werden umgebracht.

25. Juni: Der Waffenstillstandsvertrag mit Frankreich wird mit zehntägiger Beflaggung und siebentägigem Glockengeläut am Mittag gefeiert.

30. Juli: Erste Bombenabwürfe auf Karlsruher Gemarkung verursachen keinen Personen- oder Sachschaden. Weitere Angriffe im Jahre 1940 treffen hauptsächlich die Randbezirke.

3. Oktober: Der antisemitische Hetzfilm „Jud Süß“ startet im Capitol.

22. Oktober: 905 Karlsruher Juden werden wie alle badischen und pfälzischen Juden in das Lager Gurs am Fuße der Pyrenäen deportiert. Viele sterben in Gurs, andere in den Konzentrationslagern im Osten, wohin sie weitertransportiert werden. Nur wenige überleben den Völkermord des nationalsozialistischen Deutschland an den Juden.

  1941

2. Mai: Der Pfarrvikar von St. Peter und Paul in Mühlburg, Ferdinand Maurath, den Nationalsozialisten seit längerem ein Dorn im Auge, wird verhaftet und ohne Prozeß in das Konzentrationslager Dachau gebracht.

5. Juli: Auf zahlreichen Plätzen Karlsruhes wird die Bevölkerung in der Brandbombenbekämpfung unterwiesen.

6. August: In der vorangegangenen Nacht fordert ein britischer Bombenangriff mit 27 Toten und 9 Verletzten die ersten Luftkriegsopfer des Zweiten Weltkrieges in der Stadt.

21. November: Freigabe des vorderen Schloßplatzes für den Gemüseanbau.

28. November: 90 spanische Arbeiter treffen zum Arbeitseinsatz in Karlsruhe ein. Die Zahl der freiwilligen oder gezwungenen Fremdarbeiter und der Kriegsgefangenen im Arbeitseinsatz nimmt nun auch in Karlsruhe zu, bei Kriegsende sind es mehrere tausend Menschen, die zum größten Teil in Lagern untergebracht sind.

  1942

3. September: Großer Luftangriff auf Karlsruhe. Er fordert 73 Tote und 711 Verwundete. Zerstört werden dabei u. a.: Landesgewerbeamt, Markgräfliches Palais, Sammlungsgebäude am Friedrichsplatz, Christuskirche, Westendstraße (heute Reinhold-Frank-Straße), Körnerstraße, zahlreiche Betriebe im Rheinhafen. Bei diesem Angriff verfahren die Engländer erstmals nach einer neuen Taktik, bei der ein kleiner Verband zunächst mit Leuchtbomben das Ziel markiert.

  1944

28. Februar: Große Frauenkundgebung in der Festhalle zum Thema „Frauen helfen siegen!“.

25. April: Bei einem Luftangriff bleibt die Innenstadt dank eines Gewittersturms, der die Markierung des Zielgebiets verweht, verschont. Dafür treffen die Bomben die Vorstädte, vor allem Rintheim, Hagsfeld und Grötzingen. Schäden gibt es auch am Mühlburger Tor und um das St.-Vincentius-Krankenhaus, Karlstraße.

27. Mai: Bei einem Großangriff amerikanischer Verbände auf Bahnanlagen in Südwestdeutschland werden der Rangierbahnhof und die Süd- und Oststadt schwer getroffen. 108 Karlsruher sterben, das Gottesauer Schloß, die Liebfrauen-, Johannis- und Evangelische Stadtkirche sind schwer beschädigt.

21. Juli: Reinhold Frank, Rechtsanwalt und Strafverteidiger politisch Verfolgter, wird am Tag nach dem gescheiterten Attentatsversuch durch Graf v. Stauffenberg auf Hitler in seiner Karlsruher Wohnung verhaftet. Er gehört als „politischer Unterbeauftragter“ für Baden zum Widerstandskreis um Carl Goerdeler. Nachdem ihn der Volksgerichtshof zum Tode verurteilt hat, findet am 23. Januar 1945 in Berlin seine Hinrichtung statt.

25. Juli: Bei einem Bombenangriff werden u. a. die Evangelische Stadtkirche, St. Stephan, das Ständehaus und erneut Schloß Gottesaue schwer getroffen.

9. August: Beginn einer anhaltenden Serie von Luftangriffen bei Tag auf die Stadt. Sie werden fortgesetzt am 5., 8. und 15. September, 19. Oktober, 5. November, 11. Dezember 1944 und 10. Januar 1945.

27. September: Fast eine halbe Million Brandbomben fallen bei einem Fliegerangriff vor allem auf die Innenstadt und die Weststadt. 52 Tote werden gezählt und zahlreiche Gebäude zerstört, darunter Schloß, Rathaus, Staatstheater, Kunsthalle, Orangerie, Künstlerhaus.

 

Abbildung 10

Winter 1944: Durchhalteparolen der NS-Propaganda an einer Litfaßsäule an der Lammstraße/Ecke Schloßplatz, vor einer Barrikade. Das Foto zeigt dem Betrachter angesichts der Zerstörungen und der großmäuligen Sprache der NS-Machthaber den unglaublichen Realitätsverlust und Zynismus eines menschenverachtenden Regimes.
(Aus: Kurt Kranich, Schicksalstage einer Stadt, Abb. 161.)
© Fotoatelier Bauer, Karlsruhe


28. November: Erster Jagdbomber-Angriff auf Karlsruhe im Gebiet Aue-Grünwettersbach. Bis Kriegsende werden etwa 30 solcher Angriffe registriert, gegen die die deutsche Flugabwehr keine geeigneten Abwehrmittel besitzt.

4. Dezember: Größter Sprengbombenangriff auf Karlsruhe, der in Durlach beginnend, über der Weststadt und Mühlburg die stärkste Intensität erreicht. 375 Menschen sterben, allein etwa 100 im öffentlichen Luftschutzraum unter dem Gasthof „Drei Linden“ in Mühlburg, ganze Häuserzeilen werden total zerstört (siehe Abbildung 4).

  1945

8. Januar: „Der Führer“, seit dem 1. September 1944 einzige Zeitung, wird nicht mehr zugestellt. Sie muß in Lebensmittelgeschäften abgeholt werden. Die letzte Ausgabe erscheint am 3. April.

22. Januar: Einstellung des gesamten D-Zug- und Eilzugverkehrs.

2. Februar: Die tagsüber durchgeführten Jagdbombenangriffe stören den Tagesablauf der noch verbliebenen Bevölkerung von etwa 20000 Menschen empfindlich.

2./3. Februar: Erneuter schwerer Luftangriff.

11. Februar: Vereidigung der Karlsruher Volkssturmbataillone, die seit dem 25. September 1944 formiert wurden.

21./22. März: Die Beschießung der Stadt mit Ferngeschützen von der Elsaß-Pfalz-Front fordert 46 Tote.

31. März: An diesem Ostersamstag erleben die verbliebenen Karlsruher den längsten und letzten Luftalarm des Krieges von 6.30 bis nach 19.00 Uhr. Insgesamt 1032 Alarme gab es in der Stadt und etwa 100 Luftangriffe, bei denen 1754 Menschen starben und 3508 verletzt wurden. Etwa 25 Prozent aller Gebäude sind total zerstört, darunter sehr viele historische Bauten der Innenstadt.

Deutsche Pioniere sprengen wegen des Vormarsches der Franzosen verschiedene Brücken, darunter die Autobahnbrücke bei Wolfartsweier.

1. April: Angehörige des Volkssturms und russische Kriegsgefangene schließen die seit Dezember 1944 zur Verteidigung errichteten Barrikaden um die Innenstadt.

3. April: Oberstleutnant im Generalstab Ernst Linke, Kommandant der Berliner „Bärendivision“, entschließt sich entgegen einem Befehl zur kampflosen Räumung der Stadt. Dadurch verhindert Linke gegen den Widerstand der örtlichen NSDAP-Führung auch weitere Zerstörungen von Verkehrseinrichtungen durch die deutsche Wehrmacht.

4. April: Die Franzosen besetzen gegen geringen Widerstand von Nachhuten der Wehrmacht, Angehörigen der Polizei, des Volkssturms und der Hitler-Jugend die Stadt. Die Besetzung ist um 11.00 Uhr abgeschlossen, sie fordert unter der Bevölkerung elf Tote.

5. April: Die Franzosen lassen durch deutsche Kriegsgefangene und arbeitsfähige Karlsruher die Barrikaden in der Innenstadt räumen. Josef Heinrich wird zum kommissarischen Bürgermeister ernannt. Durlach wird von französischen Truppen eingenommen.

6. April: Plünderungen und Vergewaltigungen gehören nun wochenlang zum Alltag. An den Plünderungen ist die notleidende Bevölkerung beteiligt. Für Zivilisten wird von 18.00–9.00 Uhr eine Ausgangssperre verhängt.

15./22. April: In der Knielinger Rheinkaserne setzen die Franzosen ehemalige NSDAP-Mitglieder fest und bringen etwa 500 Gefangene in Fußmärschen nach Offenburg, wo sie mehrere Wochen interniert bleiben.

12. Mai: Illegales Treffen von Sozialdemokraten im Rathaus an der Beiertheimer Allee (heute Polizeipräsidium). Am 21. September wird im „Weißen Berg“ Fritz Töpper zum 1. Vorsitzenden des wieder konstituierten SPD-Ortsvereins gewählt.

30. Mai: Erste Teilstrecke der Straßenbahn zwischen Weinweg und Kühler Krug wieder in Betrieb.

Juni: Die Umbenennung von Straßen, Plätzen und Schulen in den Jahren nach 1933 wird rückgängig gemacht.

5. Juni: Die Vereinbarungen der Alliierten USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich über die Einrichtung von Besatzungszonen im besiegten Deutschland treten in Kraft. Karlsruhe liegt in der amerikanischen Zone, gerät jedoch durch die nahe Grenze zur französischen Zone in einen „toten Winkel“.

Juli: Die Amerikaner beschlagnahmen 2000 Wohnungen für die Unterbringung des Offizierskorps und ihrer Stäbe.

8. Juli: Gemäß dem alliierten Zonenabkommen besetzen die US-Streitkräfte die Stadt, nachdem tags zuvor die Franzosen abgezogen sind.

18. Juli: In den Räumen der Bezirksverwaltung Südstadt findet illegal eine Gründungsversammlung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes Karlsruhe statt. Auf einer offiziell genehmigten Gründungsversammlung am 27. August wird Karl Flößer zum 1. Vorsitzenden gewählt.

22. Juli: In der Knielinger Kaserne treffen die ersten Flüchtlinge, 360 Donauschwaben aus Jugoslawien, ein.

23. Juli: Die Lebensmittelzuteilung erreicht mit 775 Kalorien pro Tag ihren Tiefststand.

4. August: Der Sozialdemokrat Hermann Veit wird in sein Amt als Oberbürgermeister eingeführt. Seine Ernennung durch die Militärverwaltung erfolgt auf Vorschlag von Vertretern der ehemaligen demokratischen Parteien der Weimarer Republik.

14. August: In einem benutzbaren Raum des Ständehauses wird als Vorläuferin der CDU die Christlich-Demokratische Partei (CDP) gegründet, die am 4. September ihre erste Kreisversammlung abhält und Adolf Kühn zum 1. Vorsitzenden wählt.

3. September: Die Militärverwaltung ernennt 14 Stadträte, die das erste städtische Parlament nach Kriegsende bilden.

19. September: Bei der Bildung des Landes Württemberg-Baden mit der Hauptstadt Stuttgart verliert Karlsruhe seinen seit der Gründung innegehabten Rang als Residenz- bzw. Hauptstadt. Die Stadtverwaltung richtet eine Beratungsstelle für rassisch und politisch Verfolgte ein.

20. September: In der Maxauer Straße 3 richtet die Sowjetunion ein Büro zur Rückführung zwangsverschleppter russischer Arbeiter ein.

23. September: Erste öffentliche Versammlung der im „Hirsch“ in Daxlanden wiedergegründeten KPD in den Rheingold-Lichtspielen. Karl Betz wird zum ersten Vorsitzenden gewählt.

8. Oktober: Wiederbeginn des Volksschulunterrichts für die unteren vier Klassen.

9. Oktober: Die Gründungsversammlung der Demokratischen Partei (später DVP / FDP) wählt Prof. Albert Keßler zum 1. Vorsitzenden.

15. Oktober: Bis zu diesem Tag entläßt die Stadtverwaltung im Rahmen der Entnazifizierung etwa 800 Bedienstete.

10. November: Die Karlsruher Notgemeinschaft wird wiedergegründet. Ab Dezember versorgt sie aus einer Großküche 2000 hilfsbedürftige ältere Menschen.

12. November: Die schlechte Energieversorgung führt an zwei Wochentagen zwischen 8.00 und 17.00 Uhr zu völliger Stromsperre.

19. November: Aufhebung der Arbeitsdienstpflicht für ehemalige NSDAP-Mitglieder nach Abschluß der Trümmerräumung in den Hauptverkehrsstraßen und auf den Gehwegen.

24. November: Das Flüchtlingslager wird von der Knielinger Allee zur Artilleriekaserne in der Moltkestraße verlegt. Es beherbergt bald bis zu 5000 Flüchtlinge.

29. Dezember: Nachdem bei Kriegsende etwa 20000 Menschen in der Stadt lebten, sind es jetzt 137920.

(Aus: Manfred Koch: Karlsruher Chronik, Karlsruhe 1992)

 
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Kriegsende 1945 | Zeitzeugen der Karlsruher Region erzählen | Letzte Änderung: 30. März 1997
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